Fußballstadien in der DDR waren Ort sportlicher Begeisterung – und boten Raum für Protest gegen die SED-Diktatur. „40 Meter im Quadrat – Minenfeld und Stacheldraht. Jetzt weißt Du, wo ich wohne, ich wohne in der Zone“ hallte es in den 1980er Jahren von den Rängen. So gerieten Fußballfans ins Visier der Sicher- heitskräfte und wurden von Zuschauern zu Beobachteten. Die Open-Air-Ausstellung blickt durch die Linsen der Staatsmacht und lässt die Welt der Fans in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR lebendig werden. Mit verdeckten Methoden – getarnt als Sportreporter, oder mit einer Kamera im Knopfloch – ermittelten
die Späher des Staatssicherheitsdienstes in- und außerhalb der Stadien und hielten „verdächtige“ Fußball- anhänger fotografisch fest. Der Klick des Auslösers war häufig der Beginn einer erkennungsdienstlichen Erfassung der Fans, von politischer Repression und Strafverfolgung.
Ins Objektiv der Staatsmacht gerieten Fußballanhänger aus vielerlei Gründen: Aufgrund regimekritischer Parolen, aber auch schon die vermeintliche Imitation westlicher Stadionkultur, mit Kutten und Sprechgesängen, bot Anlass zu Beobachtung und Verfolgung.
Herangezoomt wurden zudem „Delikte“, die es nur in DDR-Stadien gab: Sympathiebekundungen gegenüber bundesdeutschen Vereinen und Spielern wurden regelmäßig erfasst. Denn Grüße an den FC Bayern oder die DFB-Elf entsprachen nicht der parteioffiziellen „Abgrenzung“ vom westdeutschen „Klassenfeind“. Der Ruf „Hertha und Union – eine Nation“ galt als Provokation der Staatsmacht.
Unter Beobachtung standen ebenfalls gewaltbereite Fußballfans. Seit Ende der 1970er Jahre existierten auch in der DDR Skinheads und Hooligans, die mit Gewalt und rechtsradikalen sowie antisemitischen Paro- len auftraten. Als unpolitisches „Rowdytum“ heruntergespielt, standen sie im Fokus der Sicherheitskräfte Auf manchen in der Ausstellung gezeigten Bildern ist zu sehen, wie Zuschauer ihre Gesichter zu verdecken suchen. Die Fans wussten um die Beobachtung durch den Staat und versuchten sich zu schützen. Die Fotos bezeugen so nicht nur staatliche Kontrollwut, sondern auch eine Atmosphäre von Misstrauen und gesell- schaftlicher Entfremdung an den Spielfeldrändern der DDR-Stadien.
Eine Reihe von Spitzeln agierte im „Operationsgebiet“: Ziel ihrer Kameras waren geflüchtete DDR-Fußballer im Westen. Wohnort und private wie berufliche Lebensumstände von Lutz Eigendorf oder Falko Götz wurden minutiös dokumentiert – auch mit der Absicht, die „Sportverräter“ mit Gewalt in die DDR „zurückzuführen“.
Die Ausstellung blickt auch in Fußballstadien in der Bundesrepublik. Fangewalt und Rechtsradikalismus wurden in der Bundesrepublik sowohl durch Polizei und Verfassungsschutz, als auch durch Präventionsarbeit und einen öffentlichen Diskurs bekämpft. Obwohl die internationalen Fußballverbände und der Deutsche Fußballbund politische Botschaften in Fußballstadien nicht gestatteten, trugen Zuschauer und Fans gesellschaftliche Probleme und politischen Protest immer wieder in die Stadionkurven: beispielsweise die Proteste gegen die Militärdiktatur in Chile 1974 im Berliner Olympiastadion oder Solidarność-Fahnen, die Fans bei der Fußballweltmeisterschaft 1982 in Spanien zeigten.
Auf 18 Tafeln präsentiert die Ausstellung „Im Objektiv der Staatsmacht. Fußballfans im Blick von Stasi und Volkspolizei“ in großer Zahl Fotos der „Sicher- heitsorgane“ der DDR. Es sind Aufnahmen, die den Lebensalltag der Fans, ihre Sehnsüchte, Frustration und Rebellion ebenso illustrieren wie die Paranoia des SED-Regimes.
Die Ausstellung ist zweisprachig (deutsch/englisch) und über QR-Codes mit einer Website verknüpft, auf der die englischsprachigen Texte, weitere Fotos und vertiefende Audio-Kommentare sowie kurze Filme abrufbar sind: im-objektiv-der-staatsmacht.de
Eine Ausstellung des Zentrums deutsche Sportgeschichte e.V. und der Ausstellungsagentur exhibeo in Kooperation mit der Universität Potsdam, dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt, dem Deutschen Rundfunkarchiv und Zeitzeugen TV.
Gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der DFB-Kulturstiftung.
Ab 7. Juni 2024: „Stadion der Träume“ im Leipziger Zoo: täglich ab 9 Uhr geöffnet,
ab 17:30 Uhr Eintritt frei nach Reservierung unter: https://shop.zoo-leipzig.de/article/428 Infos zum Zoo Leipzig: https://www.zoo-leipzig.de/