Wolfgang Thüne ist in der DDR ein Sportstar. Im Gerätturnen gewinnt Thüne mehrfach Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Er war erfolgreich und als Leistungssportler privilegiert, dennoch hat er einst die DDR verlassen. Der Turner flüchtete mit Hilfe seines westdeutschen Konkurrenten, dem damaligen Reckweltmeister Eberhard Gienger, nach der Europameisterschaft 1975 in Bern in die Bundesrepublik. Der wachsende Leistungsdruck und die stetige Politisierung des Sports führten zum Entschluss, nicht wieder in die DDR zurückzukehren. Doch ließ die Reaktion des SED-Regimes nicht lange auf sich warten. Der Armeesportler wurde in Abwesenheit wegen Fahnenflucht zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Und auch das Ministerium für Staatssicherheit nahm Thüne ins Visier. Im sogenannten „ZOV Sportverräter“, einer Datensammlung des MfS, die alle Informationen ehemaliger Sportflüchtlinge zusammentrug, um Fluchtwege und Helfer ausfindig zu machen, war der Name von Wolfgang Thüne gelistet. Das Schicksal von Thüne ist ein typisches Beispiel dafür, wie ehemals sozialistische Vorzeigepersönlichkeiten und gefeierte Sportstars unter gefährlichen Umständen aus der DDR flohen. Die Veranstaltung möchte an ein vergessenes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte erinnern.
Nach einem Einführungsvortrag des Historikers Dr. Renè Wiese vom Zentrum deutsche Sportgeschichte über Flucht im DDR-Sport wird Wolfgang Thüne im Zeitzeugengespräch über seine Erlebnisse berichten. Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Grenzmuseums Schifflersgrund mit dem Goethe-Gymnasium Kassel und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung. Sie findet um 19.00 Uhr in der Aula des Gymnasiums in der Ysenburgstraße 41 statt.
Der Eintritt ist frei.