Am 3. November 1990 eskalierte nach dem DDR-Oberligaspiel zwischen dem FC Berlin und dem FC Sachsen Leipzig am Bahnhof Leipzig-Leutzsch die Situation. Ein sich von Hooligans bedroht gefühlter Polizeibeamter machte von der Dienstwaffe Gebrauch und traf den FC Berlin-Anhänger Mike Polley tödlich. Hiermit war nicht nur ein neuer Höhepunkt in der Konfrontation zwischen Polizei und Fußballfans in Ostdeutschland nach dem Fall der Berliner Mauer erreicht, sondern der DFB musste sich eingestehen, dass Fangewalt nun ein akutes gesamtdeutsches Problem darstellte.
Der tödliche Schuss beendete auch abrupt die geplanten Feierlichkeiten zum „Fest des deutschen Fußballs“, das mit einem letzten Länderspiel zwischen der DDR-Nationalmannschaft und der DFB-Auwahl im Leipziger Zentralstadion begangen werden sollte. Dem eilig abgesagten Festakt wohnte in Angst inne, dass weitere unkalkulierbare Gewaltakte folgen könnten.
Die Spirale der Gewalt im ostdeutschen Fußball machte deutlich, dass Phänome wie diese bereits vor dem Mauerfall 1989 in der DDR bestanden haben müssen. Stadiongewalt und Vereinsfanatismus waren trotz zweier unterschiedlicher Staatswesen ebenso manifester Bestandteil tradierter Stadionkultur wie im Westen, doch offenbarten die gesellschaftlichen Diskurse andere Mechanismen. Die SED-Diktatur handhabte einen anderen Umgang mit gewaltsuchender und devianter Jugendkultur als in demokratisch verfassten Gesellschaften. Das Ideal von der Formung eines neuen sozialistischen Menschenbildes erzeugte andere, erzieherische, polizeiliche und repressive Strategien der Einhegung von Fußballgewalt im Staatssozialismus.
Die Veranstaltung möchte das fankulturelle Phänomen von Fußball und Gewalt historisch und ursächlich vermessen und exemplarisch für die DDR und Ostdeutschland in den Blick nehmen. Dabei soll das spannungsreiche Verhältnis von Fußballgewalt und Rechtsextremismus auf der einen Seite und die staatlich-gesellschaftliche Rahmung und Präventionsarbeit auf der anderen Seite aufgeblättert werden. Nach einem einführenden Vortrag von Dr. René Wiese (Zentrum deutsche Sportgeschichte) diskutieren Zeitzeugen und Gäste. Das FC St. Pauli-Museum und die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg laden hierzu am Donnerstag, 09.05.2019, 19.00 Uhr herzlich in das Foyer des FC St. Pauli-Museum ein. Der Eintritt ist frei.